Lebensgefühl Rockmusik HH aus EE
Die Modern Soul Band feiert 55 in Magdeburg 15.04.2023 Dieser Typ hat 83 Lenze erlebt, vor 55 Jahren die Modern Soul Band als Modern Septett gegründet und rockt seither mit dieser Truppe durch die Lande. Bandleader Gerhard „Hugo“ Laartz hatte mit großer Sicherheit auch die meisten Musiker in seiner Kapelle und dennoch ist ihr Sound bis heute unverwechselbar und identisch geblieben, denn stets war ein Dreier-Bläsersatz dabei. Fast schon ein Phänomen in der sich ständig und hektisch neu erfindenden Musikbranche. Da sind Konstanten wie diese MSB fast schon reiner Goldstaub. In dieser langen Zeit sah ich die Herren um Hugo Laartz mehrmals sowie in verschiedenen Konstellationen ( HIER ) und jedes Mal hatte ich eine Menge Spaß dabei. Auch heute, in der alten Feuerwache von Magdeburg, stehe ich vor der Rampe, wenn der deutsche Soul-Dino uns „alte Männer“ zum Jubiläums-Schwof bittet. Viele sind gekommen, haben sich entschlossen, das seltene Ereignis zu würdigen und zu feiern. An meiner Seite steht Hans-Helmut und plötzlich kommt auch „Hugo“ auf einen kurzen Plausch vorbei. Minuten später schwelgen wir in Erinnerungen sowie in Vorfreude. So vieles schon erlebt, gesehen und noch so viele Wünsche offen. Nicht alles wird möglich, nicht überall will man dabei sein. Jedoch hier freuen wir uns auf ein besonderes Erlebnis. Wann und wo erlebt man denn noch so ein siebenköpfiges Rock‘n‘Funk & Soul-Orchester? Endlich wird es dunkel. Aus den Boxen grummelt es, Bläserfetzen jagen durch den Raum und eine Stimme verkündet: 55 Jahre live on Stage hier ist die Modern Soul Band aus Berlin! Die Bühne ist in warmes rotes Licht getaucht. Am linken Rand sehe ich „Hugo“ Laartz an den Tasten, ganz rechts die Bläsersektion und direkt vor mir tobt, wie von der Leine gelassen, Dirk Lorenz über die Bühnenbretter und schmettert eine Menge „Sunshine“ über unsere Köpfe hinweg. Es knallt, der Sound ist fett und die Bläser zerschneiden ihn in feine Appetithäppchen. Im Hintergrund lugen nur schwarz-weiße Karos hinter dem Schlagzeug hervor; geballte Ladung Rhythmus, kombiniert mit Humor. Von Null auf Hundert kommt die Soul-Maschine auf Touren und die besingt sich mit „Soultime“ auch gleich mal selbst: „Wir sind ’ne weit gereiste Band (dafür ist Hugo nicht zu alt)“. Ja, Ganz genau! Die ersten Minuten genügen, um genug Hitze unter den Kessel zu entfachen und uns „alte Männer“ tanzend zu erleben. Es geht einfach nicht anders, ich lerne gerade den Hüftschwung. Es ist schon „Viel zu lange her“, singt der Rampentiger direkt vor mir über einen groovend stampfenden Boogie-Rhythmus. Es ist schön, so erholsam, in diese „old fashioned“ Soul- & Blues-Rhythmen einzutauchen und ein ruppiges Solo von Nick’s Gitarre zu hören. Mir geht’s gerade verdammt gut! Die Modern Soul Band nimmt uns mit auf eine Zeitreise. „Was mir fehlt“, verrät uns Dirk Lorenz, kam seit mehr als vierzig Jahren nicht mehr zu Live-Ehren. Heute bekommen wir den Klassiker, mit einem Text von Manfred Krug, über einem treibenden Boogie-Rhythmus, endlich wieder auf die Ohren. Die Herrenriege auf der Bühne hat sichtlich Freude „an der Arbeit“, was manchmal zur „Choreografie der Bläserfüße“ verleitet und sich auch auf uns überträgt. „Himmel und Hölle“, ist das heiß, wie Dirk uns den Nowodworski gibt! Die Rhythmuswechsel und das „Pfefferspray“ der Bläsersektion verpassen dem Ganzen den letzten kernigen Schliff und der Party im Saal einen Innovationsschub. Ganz ehrlich, die drei Bläser sind das Salz in der Suppe, das Sahnehäubchen auf dem Sound, der in die Beine geht. Ferry Grott (tromp), Frank Fritsch (sax) und Stephan Bohm (pos) sind derart perfekt aufeinander eingespielt, dass man meint, es gäbe nichts Leichteres, als das. Erst bei den solistischen Einlagen spürt man die Energie eines jeden oder wahlweise ihr gefühlvolles Aufnehmen der Melodie. Ich jedenfalls bin rundum begeistert, geradezu fasziniert. Allen voran Ferry Grott, der zudem dezent das Trio dirigiert und im Gespann mit Sänger-Entertainer Dirk Lorenz die geballte Ladung Starkstrom von der Leine lässt! Der gesteht singend „Niemals will ich weinen um Dich“ und startet mit „Lang, lang her“ eine Reise durch diverse Stil- und Rhythmuswechsel. Jetzt wird gerockt, dass die Fetzen fliegen und zitiert, dass sich nur noch die „alten Herren“ an „25 Or 6 To 4“ oder „Sir Duke“ erinnern können, als einst Chicago und Stevie Wonder die Hitparaden stürmten. Die Luft ist heiß, Dirk schwitzt auf der Bühne, ich vor ihm und die Körper zucken im Rhythmus der „Kinderzeit“ und vom „Berliner Song“. Oh ja, so schön war die Zeit! Und der Mann, der quasi Auslöser ist für verschwitzte Abende, wie dieser, ist?? Hugo sitzt gut getarnt am Bühnenrand hinter den Tasten und genießt, fast unbeobachtet, die Show seiner Band. Erst als Dirk Lorenz um etwas mehr Licht für seinen Meister bittet, erstrahlt er im vollen Glanz und bleibt dennoch, dezent agierend, im Hinter- bzw. Seitengrund. Nur manchmal, wenn „Nick“ Nicklisch mit seiner Gitarre lockt oder ihm zu lächelt, lässt sich Hugo aus der Reserve locken und präsentiert seine Freude sowie Stolz, all das erreicht zu haben. DANKE Hugo, möchte man ihm zurufen. Diese Modern Soul Band ist wirklich eine herausragende Lebensleistung, zudem ein wichtiger Teil deutscher Rock-Geschichte. In diesen Minuten wird mir das wieder bewusst. Einen besonderen Höhepunkt erleben wir, als Ferry Grott auf dezenten Rhythmen mit seiner Trompete „Casablanca“ in neuem Glanz erstrahlen lässt. Da merkt man erst einmal, was für ein Drive in der City-Nummer steckt und wie man mit der Melodie improvisieren kann. Als Ferry noch seine Vokal-Akrobatik zum Besten gibt, kocht und tobt der Saal. Ein schönes Gefühl, das alles in der ersten Reihe sowie aus unterschiedlichen Perspektiven beobachten und erleben zu dürfen. Die Rhythmusabteilung, Matthias Fuhrmann, mit Karo-Hemd und Hut hinter dem Schlagzeug, sowie Carsten Mutschall, der heute Jörg Dobersch am Bass ersetzt, agiert die ganze Zeit souverän und mit lässiger Eleganz. Ganz vorn bietet Dirk Lorenz alles, was man von einem Entertainer mit Seele und Herz erwarten kann. Egal, ob er den herrlichen Klassiker “Zweifel“ oder aktueller „Alles auf Start“ ins Mikro stöhnt, heult oder gar gefühlvoll schmachtend seufzt, er lebt die Songs, lässt sich von den satten Bläsern schwitzend treiben. Erst als endlich auch Hugo solistisch die Tasten bearbeitet, treten sie alle für Momente, diesem Mann zuliebe, in den Hintergrund - und dann ist Show- und Partytime! Die Band lässt Funk’n’Soul aus dem Sack, die Bläserriege tanzt, der Sänger tobt und Hugo strahlt über das ganze Gesicht: „It’s Crazy“! Stephan Brohm entlockt seiner Posaune ein Feuerwerk, wie man es nur selten zu hören bekommt, während Frank Fritsch sein Saxophon über sanften Keyboardklängen zunächst hauchen und flüstern lässt, um danach mit voller Wucht ein „Fire In You“ zu entfachen, das die alte Hütte wackeln lässt, denn die auf der Bühne und im Saal rocken und tanzen im Gleichklang. Ich bin hin und weg, als mittendrin die alte Nummern „Dock Of The Bay“ (Otis Redding) sowie „When A Man Loves A Woman“ (Percy Sledge) von 1966/67, aus meiner jugendlichen Sturm- und Drangzeit, erklingen. Was will ein „alter Mann“ in solchen Momenten mehr, außer Glückshormone ohne Ende? Erst als das Soul-Gewitter beendet ist, registriere ich auch das Ende dieser Modern Soul–Party (und erstmals auch mein Knochengestell). Was für ein geiler Abend! Natürlich kommt die Band nicht ohne Zugabe von der Bühne und natürlich richtet Hugo einige Worte an seine Fans, ehe man sich vor dem Auditorium verbeugt. Eine (ost)deutsche Soul-Band beginnt eine Reise zu ihren Fans anlässlich eines außergewöhnlichen Jubiläums: 55 Jahre Modern Soul Band und der deutsche Soul-Dino bittet die „alten Männer“, und alle weiblichen Verehrerinnen, zum Jubiläums-Schwof in die Hallen. Bei späteren Konzerten werden auch Gäste dabei sein. Für zwei Stunden haben wir die Zeit zurück gedreht und sind doch im Heute geblieben. Die Magdeburger Feuerwache erlebte eine rauschende Party mit Seltenheitswert und eine Band in Höchstform sowie Musik, die, weitab vom medialen Mainstream, ungemein glücklich macht, weil sie Menschen zusammenführt. Wichtigeres gibt es kaum in diesen Tagen! Glückwunsch, meine Herren, und bis spätestens zum runden 60. Bandjubiläum.